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COVID-19-Rechtsakte auf dem Prüfstand: Betretungsverbot für größere Geschäfte war gesetzwidrig

Der VfGH hat mit Erkenntnis die Ungleichbehandlung von Geschäften mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m² gegenüber vergleichbaren Betriebsstätten als gesetzwidrig festgestellt. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für den erlittenen Schaden durch Umsatzentgang ist aufgrund dieses Erkenntnisses denkbar.

Die Verordnung ermöglichte im April die Öffnung bestimmter Geschäfte, indem sie für diese das Betretungsverbot für nicht anwendbar erklärte. Teile dieser Verordnung wurden vom VfGH – die Verordnung ist mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten – nachträglich als gesetzwidrig festgestellt.

Konkret sprach der VfGH unter anderem aus, dass die Wortfolge „, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt“ sowie der vierte Satz – „Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.“ – in § 2 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, idF BGBl. II Nr. 151/2020 gesetzwidrig waren.

Begründend führte der VfGH einerseits aus, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz verstoßen, weil jene Umstände, die die Verordnungserlassung bestimmt haben, nicht so festgehalten wurden, dass entsprechend nachvollziehbar ist, warum die getroffenen Maßnahmen erforderlich sind. Andererseits sei es eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass Geschäfte mit weniger als 400 m2 Verkaufsfläche und Bau- und Gartenmärkte generell wieder aufmachen durften, das Betretungsverbot für alle anderen größeren Geschäfte aber bis 30. April weiter galt. Damit bestätigte der VfGH die Unternehmen, die sich durch diese Verordnung benachteiligt gefühlt haben. Zwar wäre es grundsätzlich mit einer schrittweisen Lockerung vereinbar vorerst Geschäfte mit mehr als 400 m2 nicht vom Betretungsverbot auszunehmen. Allerdings bestand keine sachliche Rechtfertigung solche Geschäfte weiterhin mit dem Betretungsverbot zu belasten und vergleichbaren Betriebsstätten wie Bau- und Gartenmärkten eine Ausnahme zu gewähren. Vergleichbar seien Betriebsstätten wie Bau- und Gartenmärkte, da sie typischerweise eine größere Verkaufsfläche als 400 m2 haben.

Wörtlich heißt es in der Entscheidung des VfGH zur sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung:

Auch wenn es grundsätzlich, worauf der BMSGPK [Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz] in seiner Äußerung hinweist, im Zuge einer schrittweisen Lockerung angesichts einer bestimmten Entwicklung der Verbreitung von COVID 19 mit § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz durchaus vereinbar sein mag, Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren über 400 m² beträgt, deswegen, anders als solche Betriebsstätten mit einem Kundenbereich unter 400 m², (noch) nicht vom Betretungsverbot auszunehmen, weil es auch auf das Verkehrsaufkommen durch Menschen ankommt, die derartige Betriebsstätten aufsuchen, so besteht doch keine sachliche Rechtfertigung dafür, diesen Aspekt für in dieser Hinsicht vergleichbare Betriebsstätten insbesondere von Bau- und Gartenmärkten außer Acht zu lassen und diese damit anders zu behandeln. […] Der Verfassungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass etwa Gartenmärkte für Verrichtungen des täglichen Lebens eine vergleichbare Bedeutung hätten, wie sie, worauf der BMSGPK verweist, die in § 2 Abs. 1 Z 9 der Verordnung genannten Bereiche des Verkaufs und der Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten haben. Schließlich sind auch keine Umstände ersichtlich, dass für die in § 2 Abs. 1 Z 22 der Verordnung genannten Bau- und Gartenmärkte allenfalls angeordnete Betretungsbeschränkungen zur Sicherstellung eines Abstandsgebotes, wie sie § 2 Abs. 6 der Verordnung vorsieht, in der Bevölkerung geradezu den gegenteiligen Effekt eines Kundenandranges auslösen würden.“

Gerne unterstützen wir sie bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Voelkl Rechtsanwaelte am 24. Juli 2020