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Hauptwohnsitzbefreiung: Sonderfall „Mietkauf“

Der VwGH stellte jüngst fest, dass es für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung lediglich auf die durchgehende Nutzung der Liegenschaft als Hauptwohnsitz ankommt und nicht auf das durchgehende Vorliegen eines bestimmten Rechtstitels (Eigentum).

Mietzeiten (bspw. Mieter einer Genossenschaftswohnung mit Kaufoption) sind somit in die fünfjährige Hauptwohnsitz-Mindestdauer miteinzuberechnen.

Bei Verkauf von kürzlich erworbenen Miet- oder Genossenschaftswohnungen kommt die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung.

Hintergrund

Grundsätzlich unterliegen private Grundstücksveräußerungen der Immobilienertragssteuer („ImmoESt“). Immobilien, die nach dem 31.03.2002 erworben wurden und daher am 31.03.2012 „steuerverfangen“ waren (sohin die 10-jährige Spekulationsfrist noch nicht angelaufen war), unterliegen der ImmoESt, welche seit 01.01.2016 30% des Veräußerungsgewinnes beträgt.

Bei Immobilien, die am 31.03.2012 nicht mehr „steuerverfangen“ waren (sohin die 10-jährige Spekulationsfrist abgelaufen war) wird die Höhe der ImmoESt pauschal mit 4,2% des Verkauferlöses berechnet.

Von der Besteuerung ausgenommen sind gem § 30 Abs 2 Z 1 EstG 1988 aber die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden, wenn sie dem Veräußerer

      1. ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

      2. innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Strittig war bislang, ob auch Zeiten der Nutzung vor dem Kauf (beispielsweise Zeiten als Mieter einer Eigentums- oder Genossenschaftswohnung) für die zumindest fünfjährige Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz in den letzten zehn Jahren vor der Veräußerung herangezogen werden können.

Wird die Wohnung, welche zuvor „nur“ als Mieter und nicht als Eigentümer genutzt, schließlich erworben und unmittelbar danach unter Aufgabe des Hauptwohnsitzes (ohne, dass der Kaufgegenstand zwei oder fünf Jahre nach Kauf bzw. Anschaffung als Hauptwohnsitz gedient hat) veräußert, so steht dem Veräußerer nach dem Wortlaut des Gesetzes die Befreiung zu, sofern die Wohnung vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz diente.

Beispiel 1: Ein Mieter einer Genossenschaftswohnung nutzt diese als Hauptwohnsitz seit vier Jahren und erwirbt sie während des fünften Jahres („Kauf bzw. Anschaffung“). Nach Ablauf des fünften Jahres veräußert er die nunmehrige Eigentumswohnung. Es kommt die Befreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung, da die Zeiten des Hauptwohnsitzes als Mieter und Eigentümer zusammenzurechnen sind.

Beispiel 2: Ein Mieter einer Genossenschaftswohnung nutzt diese als Hauptwohnsitz seit fünf Jahren, erwirbt sie Anfang des sechsten Jahres („Kauf bzw. Anschaffung“) und veräußert die nunmehrige Eigentumswohnung direkt (zB im Rahmen einer Sprungeintragung). Es kommt die Befreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung, da die Zeiten des Hauptwohnsitzes als Mieter ausreichend sind.

§ 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 verlange weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum während der fünfjährigen Nutzung als Hauptwohnsitz. Es wird lediglich auf eine Nutzung als Hauptwohnsitz „innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung“ Bezug genommen.

Vorsicht ist dennoch geboten, insbesondere bei Genossenschaftswohnungen: Bekanntlich gibt es seit 01.01.2016 im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz („WGG“) eine Spekulationsfrist. Gemäß § 15g Abs 1 WGG wird der Bauvereinigung im Falle der nachträglichen Übertragung des (Mit-)Eigentumsrechts ein Vorkaufsrecht (für die Dauer von fünfzehn Jahren) zugestanden, das im Grundbuch einzutragen ist und dessen Rechtsfolgen im Kaufvertrag zu erläutern sind. Das Vorkaufsrecht erlischt jedenfalls nach Leistung eines „Differenzbetrages“, aber spätestens nach fünfzehn Jahren. Der Differenzbetrag errechnet sich grundsätzlich aus dem damals an die Bauvereinigung geleisteten Kaufpreis und dem zu diesem Zeitpunkt tatsächlichen Verkehrswert. Der dabei zugrunde liegende Verkehrswert ist dem Erwerber schon zum Zeitpunkt des (ursprünglichen) schriftlichen Kaufangebots von der Bauvereinigung bekannt zu geben. 

Voelkl Rechtsanwaelte am 7. August 2020